Mit einem Zusteller nachts auf Tour

calendar 22 Februar 2023

Es ist stockdunkel und kalt in dieser Januarnacht um kurz nach zwei Uhr. Bis auf die Straßenlaternen brennt nirgends Licht in der Rugendorfer Siedlung. Alles schläft. Nur einer ist schon munter. Frank Preußners steht in voller Arbeitsmontur startklar vor seinem Haus – Jacke und Mütze in Signalgelb, dazu Reflektoren an den Beinen, eine Stirnlampe auf dem Kopf. Sicherheit geht vor. „Ich muss auch im Dunkeln gut sichtbar sein“, sagt er. Der 51-Jährige arbeitet, während die meisten noch tief und fest schlummern.

Das liebt er so an seinem Job

Frank Preußners ist Zeitungszusteller. Montags bis samstags sorgt er dafür, dass die Bayerische Rundschau pünktlich zum Frühstück im Postkasten der Abonnenten landet. Für ihn ein absoluter Traumjob. „Du bist dein eigener Herr, bist an der frischen Luft und hast Bewegung – was Besseres gibt es nicht“, sagt er.

Seit Januar 2020 ist Preußners als Zusteller unterwegs. Durch ein Zeitungsinserat wurde er auf den Job aufmerksam. Er trägt die BR in Losau und Wartenfels aus, seit einigen Monaten vertretungsweise auch in Rugendorf. Dabei erledigt er obendrein die Postzustellung für die Brieflogistik Oberfranken. Über 100 Briefe allein für Rugendorf kommen da an manchen Tagen dazu, „vor Weihnachten sind es immer am meisten“.

7500 Schritte macht er jede Nacht

In der Rugendorfer Siedlung, wo er selbst wohnt, startet er seine Tour. Vor seinem Haus hat er zwei große Boxen aufgestellt. Darin deponiert der Vertrieb gegen halb zwei Uhr nachts die Zeitungen – fein säuberlich nach Bezirken aufgeteilt in fest verzurrten Paketen. Der Zusteller nimmt sie heraus und packt sie in sein Auto. Aufgrund der räumlichen Entfernung seiner Bezirke macht der 51-Jährige seine Runde zum Teil mit dem Fahrzeug. „Und trotzdem komme ich immer so auf 7500 Schritte und vier Kilometer Laufleistung“, sagt er, während er stramm von Haus zu Haus marschiert. Die regelmäßige Bewegung zeigt Wirkung. „Ich bin viel fitter geworden und schwitze auch nicht mehr so schnell. Nur wenn ich Urlaub habe, tut mir mein Knie weh.“

Und wie ist das mit dem Aufstehen mitten in der Nacht? „Daran gewöhnt man sich“, so Preußners. „Wenn die Arbeit Spaß macht, brauchst du keinen Wecker.“ Nicht mal einen Kaffee benötige er, um in die Gänge zu kommen, „ich bin auch so gleich voll da“.

Kundenservice wird bei ihm großgeschrieben

Diese Nacht ist windig, zudem nieselt es. Da geht der Austräger lieber auf Nummer sicher und steckt die Zeitung in den Briefkasten, damit sie nicht nass oder weggeweht wird. Wenn es stark regnet, packt er sie an ungeschützten Hauseingängen sogar in einen Müllbeutel. Ist der Zeitungskasten vom Vortag noch nass, wischt er ihn schon mal mit einem Handtuch trocken, das er wie so vieles andere immer dabei hat. Er nennt das Kundenservice, und der ist ihm wichtig.

Seinen „Kunden“ auch mal Weihnachtskarten zu schreiben oder sie zu informieren, wann er Urlaub hat, ist für den Vollblut-Zusteller genauso selbstverständlich wie die Augen und Ohren offenzuhalten und sich zu kümmern, wenn ihm etwas merkwürdig vorkommt. „Ich habe schon einiges erlebt“, erzählt Preußners, während er auf der menschenleeren B 303 sein zweites Gebiet ansteuert. In Losau brennt in einem Haus tatsächlich Licht in diesen Nachtstunden. „Manchmal treffe ich den Losauer Bäcker, aber ansonsten sehe ich um diese Zeit eigentlich nur Rehe, die bis in den Ort kommen.“

Ein schlimmer Verdacht

Ein Erlebnis hat sich Preußners besonders ins Gedächtnis gebrannt. Einmal fiel ihm bei einem Haus auf, dass die Zeitungsbox schon mehrere Tage nicht mehr geleert worden war und auch der Briefkasten überquoll. Er verständigte die Nachbarn und bat sie, sich doch mal umzusehen. Es folgte ein größerer Einsatz von Polizei und Feuerwehr. „Der Mann, der dort wohnte, hatte schon einige Zeit tot in der Wohnung gelegen.“

Doch auch Schönes hat er schon erlebt. Sogar seine ganz eigene Weihnachtsgeschichte. „Es war bei der letzten Zeitung, die ich am Heiligen Abend austragen musste.“ Da lag in einer Hofeinfahrt vor der Haustür ein nasser, zerknüllter und dreckiger 20-Euro-Schein. Preußners nahm ihn mit nach Hause, reinigte und trocknete ihn, warf ihn wieder in den Briefkasten am Fundort und verständigte den Hausbesitzer. Der war platt angesichts dieser Ehrlichkeit und ließ 10 Euro Finderlohn springen.

In Losau ist die BR inzwischen ausgetragen, das geht mittlerweile flott. „Bei der ersten Tour habe ich über eineinhalb Stunden gebraucht, bis ich gewusst habe, wo alle Briefkästen sind, das ist nämlich manchmal ganz schön tricky.“

Nach einem möglichst effizienten System

Preußners steigt wieder ins Auto und sagt: „Auf zum Endspurt nach Wartenfels!“ Aus dem Nieseln ist in dem höher gelegenen Bergdorf Schneeregen geworden, dazu bläst es ungemütlich. Dem Austräger macht das nichts aus. „Wetterfest muss man schon sein“, sagt er und zieht seine Runde unbeeindruckt durch. Auch hier nach einem bestimmten System, um möglichst effizient zu sein: nicht im Zickzack quer über die Straße, sondern aufwärts die eine und abwärts die andere Straßenseite. In Wartenfels trifft er zu dieser vorgerückten Stunde gegen 5 Uhr morgens schon mal eine Gassigeherin. „Und hier habe ich schon die schönsten Sonnenaufgänge fotografiert.“

Duschen, frühstücken und eine Runde schlafen

Auf dem Rückweg fährt der 51-Jährige noch die verbleibenden Häuser in Rugendorfs Zentrum und einem Ortsteil an. Hinter immer mehr Fenstern brennt inzwischen Licht, die Welt erwacht langsam. Kurz nach sechs Uhr ist die letzte Zeitung zugestellt und Preußners macht sich auf den Heimweg. Gut vier Stunden hat er für seine Runde gebraucht. Er ist zufrieden: „Wenn ich fertig bin und heimkomme, müssen die anderen auf die Arbeit.“ Er wird nun wie jeden Morgen duschen, dann mit seiner Frau frühstücken und sich noch etwas aufs Ohr legen. „Und dann habe ich den ganzen Tag zur freien Verfügung. Es ist einfach ein klasse Job.“

(Christine Fischer)

Mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Rundschau und seinem Zustellunternehmen mgo Zustell- und Service GmbH dürfen wir diesen Text hier teilen. Vielen Dank.

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